Über Pfingsten waren die Erbenheimer Pfadfinder des Stammes Franken zu einer Lagerfreizeit der Stämme der Rhein-Main-Region erstmalig in Ostdeutschland unterwegs. Das Ziel war Neudietendorf in Thüringen. Bei der Wahl dieses Lagerpunktes in Thüringen war die Überlegung ausschlaggebend, den Kindern und Jugendlichen in den neuen Bundesländern etwas von dem Gedanken des Pfadfinder- und Lagerlebens zu vermitteln.
So schlossen sich der Erbenheimer Gruppe nach der Anreise mit der Bahn sechs junge Gäste aus Thüringen und Sachsen-Anhalt an. – Wenn man Neudietendorf als Lagerort gewählt hatte, so lag es daran, daß dort vor 70 Jahren einer der ersten evangelisch-christlichen Pfadfinderbünde Deutschlands gegründet wurde.
Nach dem Aufbau und der Eröffnung, des Lagers am Freitag folgten am Samstagmorgen die ersten Lageraktivitäten. Der Erbenheimer Stamm der Franken bot Korkboot-Bau und das Fotografieren mit selbstgebastelten Lochkameras in Arbeitsgruppen an.
Daß man mit einer solchen Camera „obscura“ überhaupt etwas aufs Fotopapier bekommt, überraschte viele. Auch die Station der Erbenheimer beim Postenlauf überraschte und führte allerdings auch zu einigen Tränen: Denn unerwarteterweise nahm die Spielleitung den als Scherz gemeinten Vorschlag der Koch-Mannschaft an, hier Zwiebeln für die Küche zu schneiden.
Am Pfingstsonntag fand ein Lager-Gottesdienststatt, den hauptsächlich die örtliche Jugendgemeinde für die Pfadfinder vorbereitet hatte.
„Brücken bauen“ hieß das Thema und der Gottesdienst beschäftigte sich auch in humorvoller Weise mit dem Problem der Gräben zwischen Menschen und natürlich auch den Gräben innerhalb Deutschlands, wie sie sich nach der Wende inzwischen hier und dort aufgetan haben.
Dem Gottesdienst folgte ein Empfang für wichtige Persönlichkeiten der Umgebung. Natürlich war der Bürgermeister von Neudietendorf dabei. Bewirtet wurde mit Brezeln; belegten Broten und „Äppelwoi“.
Am Montag wurde ein „Neudietendorf-Tag“ für die Einheimischen an der Hauptstraße veranstaltet, wobei sich die Sippe Panther des Erbenheimer Stammes als Pfannkuchen-Bäckerei betätigte.
Zum Programm gehörte aber auch noch ein leidenschaftlich ausgetragenes Fußball-Turnier, an dem auch die Jugendlichen des Ortes mit einer Mannschaft, der legendär gewordenen „Lok Neudietendorf“ teilnahmen.
Am Montag abend endete das Lager mit einer Abschlußfeier, zu der eine „Schlacht ums kalte Buffet“ und ein Programm, das durch Beiträge der verschiedenen Stämme gestaltet wurde, gehörten.
Am Dienstag hieß es Schließlich für die Erbenheimer Pfadfinder, früh um 5 Uhr morgens aufzustehen, um rechtzeitig den Abbau anzugehen. Nachdem man von den Gästen aus den Ländern Abschied genommen hatte, fuhr man mit der „Reichsbahn“ nach Erfurt. Hier gab es ein Stadtspiel, bei dem die jungen Pfadfinder die Fachwerk-Altstadt und das Stadtzentrum kennenlernten.
Die Erbenheimer Pfadfinder kontnen während ihres Aufenthaltes auch die Veränderungen in Ostdeutschland beobachten, wo beispielsweise längst nicht mehr Trabi und Wartburg die Straßen beherrschen. Charakteristisch fanden die jungen Leute das altmodische Warenhaus im Stadtzentrum: Während auf dem Dach noch groß „Zentrum“ steht, hängen außen die Hertie-Werbeflaggen und zum Verkauf werden im Inneren nur noch Westwaren angeboten.
Nach diesem herrlichen Pfingstaufenthalt ging es für die Erbenheimer Pfadfinder am Dienstagabend nach Hause.
Erbenheimer Anzeiger, 31.05.1991