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Jurten und Koten am Kieselbacher Canyon: Pfingstlager 1995

Stamm Drei Gleichen während dem Programm

Über Pfingsten hatten etwa 70 Kinder und jugendliche aus Thüringen und Sachsen, Mitglieder im Verband Christlicher Pfadfinder (VCP), ihr Lager oberhalb des Kieselbacher Canyons aufgeschlagen.

Die jungen Leute im Alter ab sieben Jahren kamen aus Leipzig, Torgau, Dresden, Neudietendorf und Merkers. Das Thema des Landeslagers, Apfelgrün und Himmelblau“, unterstrich den ökologischen Charakter: Pfadfinder lieben die Natur und wollen sie schützen.
Zur Eröffnung stellten sich zunächst die Stämme“, die wieder in Sippen“ untergliedert sind, mit Liedern oder selbstgedichteten Achtzeilern vor. Da gab es schon außergewöhnliche Namen wie zum Beispiel der Stamm Drei Gleichen“, „Alligatoren“ oder gar die Psychopathen“. Der Stamm Krayenburg“ Merkers/Kieselbach wartete mit den Sippen Maulwurf“ und ,Regenwurm“ auf.
Die Pfadis“ haben keine Gesetze, sondern handeln nach Regeln, die von allen eingebracht werden können. Wichtig ist auch, daß jeder Stamm seine eigene Küche hat. Dort können die Sipplinge“ ihre Süppchen kochen – ohne Kochbuch versteht sich. So findet sich in fast jedem Zelt eine Kochstelle. Die schwarzen Zelte (,Trusks“) sind dementsprechend aufgebaut. Kleine Zelte werden von den Pfadfindern als „Kote“ bezeichnet, die größeren als ,Jurte“. Alle zusammen als „Jurtenburg“.
Wie der stellvetretende Landesvorsitzende, Hendrik Knop, informierte, ist die Pfadfinderorganisation, mit 24 Millionen Mitgliedern, die größte Jugendorganisation der Welt. Der Thüringer VCP hat bisher 200 Mitglieder. Bei den jährlichen Lagern haben die Pfadfinder Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen. So trafen sich im Juli des Vorjahres 900 Pfadfinder in Harras bei Hildburghausen. Neudietendorfer Pfadis nahmen sogar schon am Worldjambee teil. Das nächste Bundeslager ist für 1998 angedacht. Großes Vorbild der Pfadfinder ist Sir Robert Stephenson Smith Baden Powell, liebevoll B.P. genannt, der als Begründer der Pfadfinderbewegung gilt und zunächst mit seinem Buch „Scouting for Boys“ Jugendliche für die Bewegung begeisterte. 1907
organisierte er mit 22 Jungen das erste Pfadfinderlager. Um Klassenunterschiede auszuräumen, bekamen alle die gleiche „Kluft“. Einer der Grundgedanken von B.P. war, die Leute aus den Kneipen wegzulocken. Die Idee wurde 1909 von Alexander Lain in Deutschland mit Erfolg fortgesetzt.
Halstücher und Parolen wie ,Allzeit bereit“ erinnern zwar an die einstige Pionierorganisation, deren totalitären Charakter man allerdings ablehnt, denn hier sind die Strukturen von unten-nach oben aufgebaut. Auch Hitler mißbrauchte die Pfadfinderbewegung für seine Zwecke.
Erst seit 1989 war es mit Hilfe der Verbände aus den Altbundesländern möglich, jugendliche für diese Art Freizeitgestaltung zu begeistern. Zu den Idealen der Pfadfinder zählen die liebe zur Natur, die Erziehung zum Frieden und zum Abbau von Vorurteilen. Pfadis gehen gern auf Fahrt. Ein Teil der in Kieselbach zuerst angereisten Pfadfinder nutzte die Gelegenheit zur Besichtigung des Erlebnisbergwerkes. Am Samstag gab es einen Geländelauf nach Karte und Kompaß, der sich je nach Alter über neun bis 25 Kilometer erstreckte und mit einem Bingotanz endete. Beim Geländelaufen bot sich auch die Gelegenheit, Kräuter zu sammeln. Zu den geselligen Runden wird „Tschai“ gereicht, eine Mischung aus schwarzem Tee, entweder mit Traubensaft oder Rotwein, Früchten, Nüssen und Rosinen zubereitet. Bei der Nachtwanderung auf den Kray enberg wurden -neue Pfadfinder feierlich aufgemommen. Mit dem Gelöbnis erfolgt die Übergabe der Halstücher, deren Farbe in Thüringenblau mit einem rot-weißen Rand ‚ist, und die mit dem Thüringer Emblem versehen sind. Mit Kieselbach habe man eine gute Wahl getroffen, meinte Hendrik Knop. Die Mitglieder des Coumtry-Clubs seien sehr entgegenkommend, man könne Toiletten und Gelände des Canyons nutzen. Der Forst habe schon vorher die Stämme für die Zelte geschlagen. Die Pfadfinder revanchierten sich mit kleinen Aufräumarbeiten im Wald, denn für die unentbehrlichen Lagerfeuer wurde jede Menge Holz gebraucht. Und auch den von Pfarrer Ullrich Nagel gehaltenen Pfingstgottesdienst verpaßten die Pfadfinde nicht.

gdt, Südthüringer Zeitung, Ausgabe Bad Salzungen, 9.5.1995