Vom 21. bis 23. Mai fand im Neudietendorfer Zinzendorfhaus die Bundesversammlung des VCP statt. Auf dieser Delegiertenversammlung mit Mitgliedern aus ganz Deutschland feierte der VCP auch sein 20jähriges Bestehen.
Auf der Geschichte will sich der Verband aber nicht ausruhen, weshalb auch ein neuer Aufbruch zu verspüren war. Die Verbandsstrukturen wurden auf den Prüfstand gestellt. Mit Hilfe eines unabhängigen Instituts soll eine neue Arbeitsgrundlage innerhalb des Verbandes entstehen.
Ein neues Konzept wurde auch für das nächste Bundeslager erarbeitet werden.
Thema auf der Versammlung war auch das Problem der Halstuchfarben Rot und Blau in den neuen Ländern, weshalb eine Übergangslösung für eine Zeit von 5 Jahren verabschiedet wurde, in der sich Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin-Brandenbug und Sachsen-Anhalt eigene Halstücher verwenden können.
Die Gastfreundschaft des Zinzendorfhauses und des Gymnasiums wurde gerne angenommen, wofür ein Dank galt.
Auf der VCP-Bundesversammlung hielt der Landesjugendpfarrer von Thüringen Christard Wagner ein Referat über die Lebenssituation von Jugendlichen in den neuen Bundesländern, wo er auch auf die Chancen für den VCP einging:
„Zum Schluß mochte ich noch einige Beobachtungen, Erwartungen und Wünsche an den Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder richten, so wie ich sie selbst habe, aber auch, wie sie mir aus der Gesamtheit der Ev. Jugendarbeit in Thüringen entgegenkommen.
Auch wenn sich inzwischen in bestimmten Kreisen das Kürzel VCP bekanntgemacht hat, gibt es immer wieder Jugendmitarbeiter, die, wenn sie von Pfadfindern hören, erstaunt fragen:„ Was, da gibt es auch christliche?“
Manche von uns, die inzwischen schon Kontakt mit dem VCP bekommen haben, haben aus unterschiedlichen Gründen noch Schwierigkeiten, mit dessen Erscheinungsbild klarzukommen. Immer wieder gibt es Kopfschütteln und erstauntes Nachfragen, daß solche Begriffe wie: Gau, Rotte, Sippe usw. noch im Sprachgebrauch sind. Die vielerorts anzutreffenden Vorurteile, daß Pfadfinder in ihren gestylten Uniformen und diesen gestrigen Begriffen nationalistische und militaristische Traditionen fortführen wollen, müssen ernstgenommen werden. Dies ist keine taktische, sondern eine inhaltliche Frage, denn nach Descartes heißt es: „Sein ist wahrgenommen werden.“
Ein Spezialproblem in diesem Zusammenhang ist das berühmte blaue Halstuch. Vorweg muß ich sagen: Mein Sohn, Mitglied einer „Rotte“, hat keinerlei Schwierigkeiten mit dem blauen Halstuch und ist ganz scharf darauf. Aber: Er ist ein „Nachwende-Schüler“. Uns etwas Älteren macht es schon gewaltige Schwierigkeiten, so viele junge Menschen, wie ich sie hier vor mir sehe, in blauen Halstüchern zu sehen. Im Kopf ist zwar alles klar, aber Sie wissen auch, der Bauch und das Herz haben weitaus mehr Bedeutung, als wir es uns oft zugestehen. Auch wenn Sie gute Gründe anführen können, Ihre Tradition aufrecht zu erhalten, traue ich Ihnen zu, die neue, durch die spezielle Geschichte der Jungpioniere entstandene Situation in den Blick zu nehmen und eine kreative Lösung zu finden. Ob Sie es wohl schaffen, über Ihren Schatten zu springen und eine bunte Lösung zu finden? Sie würden es sich und vielen damit leichter machen.
Eine weitere, durchaus spannende Frage lautet: Erwächst uns durch die Pfadfinder Konkurrenz? Meine erste Antwort darauf heißt: Die Aufgaben sind so immens, die Notwendigkeit christlicher Jugend- und Kinderarbeit ist so groß, daß wir uns nur über alle freuen können, die diese Aufgaben sehen und anpacken. Unübersehbar bleibt natürlich, daß alle Jugendverbände sich um eine relativ kleine Bandbreite von Jugendlichen kümmern, die bereit sind, sich auf verbindliche Strukturen einzulassen. Sie wissen, daß diese Bereitschaft in den neuen Ländern noch geringer ist als in den alten Bundesländern.
Die Einführung des Religionsunterrichtes hat leider zur Folge, daß immer weniger Kinder den traditionellen Christenlehreunterricht, der in die Gemeinde führt, besuchen. Das bedeutet, daß andere Formen der kirchlichen Arbeit mit Kindern eine zunehmende Bedeutung gewinnen. Dazu zähle ich auch die Pfadfinderarbeit. Kinder sollen auch in der Freizeit auf spielerische Art und Weise zum Glauben ermutigt und zu einem verantwortungsvollen Leben geführt werden. Da dies in vielen Gemeinden eine Überforderung der Mitarbeiter bedeutet und auch das spezifische Angebot der Pfadfinderarbeit bisher keine Rolle gespielt hat, sehe ich das Angebot der christlichen Pfadfinder als eine begrüßenswerte Erweiterung kirchlicher Angebote an.
In Thüringen werden z.Zt. in ungefähr einem Drittel der Gemeinden Junge-Gemeinde-Angebote gemacht. Das bedeutet, daß es sehr viele weiße Flecken für andere Formen christlicher Jugendarbeit gibt. Daher ist das Engagement des VCP überall dort erwünscht, wenn der Anspruch, den der VCP für sich erhebt, nämlich als Teil kirchlicher Jugendarbeit in die Gemeinde zu führen, wahrgenommen wird. Reibungspunkte kann ich nur dort entdecken, wo es schon Junge Gemeinde oder andere evangelische Jugendarbeit gibt. Hier heißt die alles entscheidende Frage: Arbeitet der VCP mit der vorhandenen evangelischen Jugendarbeit zusammen, oder installiert er eine Konkurrenz? Letzteres wäre sehr schade, denn ich kann ohne weiteres die Chancen einer gemeinsamen evangelischen Jugendarbeit vor Ort entdecken und habe auch von solchen Erfahrungen gehört.
Es liegt nun ganz in der Hand der Verantwortlichen vor Ort, wie sich das Verhältnis von traditioneller Jugendarbeit und VCP-Arbeit gestaltet. Ich wünschte mir, daß die Ehrenamtlichen des VCP, die in neuen Orten Gruppen gründen wollen, dies gemeinsam mit der Jungen Gemeinde, dem Pfarrer oder dem Jugendwart oder den jeweiligen Verantwortlichen vor Ort planen, daß Gemeinsames wächst und für die vielen Jugendlichen, die auf Angebote warten, ein breites Angebot in Gemeinsamkeit geschaffen wird.
Ich danke Ihnen, daß Sie mich zu Ihrem Bundestreffen eingeladen haben, heiße den VCP in Thüringen herzlich willkommen und freue mich, daß wir gemeinsam an der einen Sache arbeiten.“
Auf neuem Pfad, 1993