Neudietendorf (rot). Es war das erste Mal, daß eine Israelische Pfadfindergruppe nach Ostdeutschland, Thüringen und gar nach Neudietendort kam. Fünf Tage lang waren 15 Israelis im Zinzendorfhaus zu Gast. Für die meisten war es der erste Deutschlandbesuch. Alle jedoch kamen mit der Hoffnung, ein Stück Alltag im wiedervereinten Deutschland zu erleben.
Als der wohl nachhaltigste Eindruck wird den Gästen der enorme Wandel im Gedächtnis bleiben, meint Amos Flani. Gekommen sind sie um zu erfahren, was die Leute hier vor und nach der Wende wollten und wollen. „Wir haben immer geglaubt, daß die Menschen in Ost und West vierzig Jahr lang nur von der Wiedervereinigung geträumt haben“, erinnert sich Flani. Da war man erstaunt, als ein 13jähriger Junge zur Antwort gab: „Jahrelang ist uns erzählt worden, daß im Westen alles schlecht sei. Warum sollten wir uns dann nach dem Schlechten sehnen?“
Nicht zufrieden geben wollen sich die Gäste mit der offiziellen Erkläung, allein das Ausländerproblem sei die Ursache für den aufkommenden Rechtsextrimismus in Deutschland.
Aber auch um die Spuren ihrer Vorfahren in Deutschland zu erkunden, kamen sie hierher. So waren sie nicht nur zu Besuch bei der jüdischen Gemeinde in Erfurt sondern auch im ehemaligen KZ Buchenwald. „Gut ein Jahr Vorlauf brauchten wir für die Reisevorbereitungen“, weiß Sigrid Mosbach, Ausländerbeauftragte des Verbands Christlicher Pfadfinder, zu berichten. Von Thüringen aus ging die Fahrt weiter nach Berlin, zuvor war die Gruppe auf Visite im hessischen Bad Nauheim. Sigrid Mosbahl hofft vor allem im Sinne der Pfadfinder aus den neuen Ländern, daß die Zahl der jährlichen vier Austauschprogramme mit Israel künftig noch steigen wird.
Thüringer Landeszeitung, 16.05.1992